Vor

In meiner langjährigen Praxis als Autodidakt auf diesem Instrument habe ich Informationen verschiedenster Art über die Schrammelharmonika gesammelt. Nachdem ich inzwischen an die 60, 70 Instrumente gesehen, zerlegt, gestimmt, repariert und nicht zuletzt gespielt habe, möchte ich auch meine eigenen Erfahrungen und Schlussfolgerungen der interessierten Öffentlichkeit nicht vorenthalten.

Ich beanspruche weder Wissenschaftlichkeit noch Copyright für diesen Text, denn viele meiner Informationen stammen aus zweiter Hand, durch mündliche Erzählung oder im Gespräch überliefert.
Jedes Link freut, allerdings hat es wenig Sinn, den Text auf andere Webseiten zu kopieren.
Er wird sich, mit meinem Wissensstand, noch oft ändern.

Walther Soyka, 2001-2011

(zuletzt aktualisiert am 26.05.'13)


Die Technik

 

Diskant:

chromatisch, 2chörig, 104 Zungen (G-b'''), Schwebung 6Hz-0.25Hz.

 

Die Stimmplatten sind aus weichem Messing, die Zungen aus blau gehärtetem Federstahl (Schwedenstahl nannte ihn der Stimmer Rudolf Barton).
Weil die Stimmplatte rundum auf Schaflederstreifen aufliegt (Dichtung) und auch das Rückschlagventil aus Leder ist, ist der eigentliche Klangerzeuger vom Kanzellenkörper gänzlich getrennt und kann fast ungedämpft frei schwingen. Eine Verbindung besteht nur durch einen Nagel unten und einen Schraubhaken oben.

Noch 1872 wurden auch in Wien ähnlich klingende dreireihig diatonische (wechseltönige) Instrumente gespielt, die am unteren Ende durch die beiden fehlenden Halbtöne erweitert waren (ähnlich heutigen schottischen Systemen). Daraus schließe ich, dass schon zu dieser Zeit Bedarf nach chromatischer Bereicherung der meist diatonischen österr. Volksmusik bestand. Es dürfte aber schwierig gewesen sein, die Zusatztöne sinnvoll einzusetzen, zumal sie ja nur je einmal vorhanden waren.
Dieses technische Problem, wie ein paar andere, wird durch die chromatische Anordnung der Diskantknöpfe behoben.

Der Klang ist möglicherweise der Geige, sicher aber der kehligen G-Klarinette nachempfunden. Tatsächlich hört man auf eine gewisse Distanz, bzw. auf alten Schellacks, kaum einen Unterschied.

Bei Mehrstimmigkeit (die enge Lage erlaubt ja Akkorde innerhalb von mehr als drei Oktaven), erlebt man ein samtiges, eher mittiges Klangbild, das - korrekte Stimmung vorausgesetzt - von der Unhörbarkeitsgrenze über sanftes Murmeln bis zum fünfstimmigen Trompetenorchester extreme Dynamik erlaubt.

Beim Mischen sind die Schlüsselfrequenzen bei 650-800Hz bzw. 4,2kHz.

 

Bass:

"diatonisch", Basston eine Oktave, Akkorde einchörig, 60 Zungen.

Von "limited" zu sprechen (s. Mirek) ist durchaus korrekt - Wechselbass ist vielfach nur durch Balgwechsel zu erreichen. Somit drängt sich die Vermutung auf, dass dieses System nie als zur Begleitung dienend gemeint war, sondern vielmehr als allgemeine Erweiterung des Tonumfangs bei geringstmöglichem Platzbedarf. Als reines Ensembleinstrument definiert ist die Schrammelharmonika mit diesem Bassystem viel leistungsfähiger als herkömmliche Arrangements das vermuten lassen.

Wie der Musikwissenschafter und Geiger Hermann Fritz sagt, war vor 1890 der Wechselbass (abwechselnd erste und fünfte Stufe im Bass, bei gleichbleibendem Nachschlag) in der österreichischen Volksmusik nicht üblich. Dagegen findet sich häufig die große Terz im Bass, und die speziell "wienerische" Rückung um eine große Terz nach unten kommt bei Strohmayer, Schrammel, Katzenberger wie auch bei Bruckner, Schubert und den anderen "Klassikern" vor. Was heute, bedingt durch das Quintbasssystem, eine eigene Knopfreihe erfordert oder weit entfernt liegt, ist mit der Schrammelharmonika ganz leicht zu spielen. Josef Mikulas hat, im Duo mit seinem Bruder, dem Geiger Karl Mikulas, um 1930 nachgewiesen, dass das Basssystem durchaus Sinn macht - um nicht zu sagen, wiederum einen Mi(e)tmusiker, den Gitarristen, einspart.

 

Balg:

Neun Falten aus Lederpappe, die Eckverbindung ist metallfrei (lackiertes Leder). Innen sind, meist zur Diskantseite weisend, Buchen- oder Birkenholzstreifen aufgeklebt, die entweder der Versteifung oder, wie ich lieber glaube, der Klangdämpfung dienen.

Der Balg ist mit 4cm Fichtenholzrahmen versehen, die mittels Klapphaken am Bass- bzw. Diskantkorpus befestigt sind. Somit ist das Öffnen des Instrumentes eine Sache von 4 Handgriffen.

Mir ist so ein Balg viel zu kurz, darum habe ich einen mit 10 Falten machen lassen, ihn in der Mitte auseinandergeschnitten und einen Fichtenholzrahmen eingesetzt. Der hat wegen der diagonalen Verwindung nicht lange gehalten, darum liess ich noch einen mit 15 Falten und 2 Rahmen bauen. So funktioniert's.

 

Mechanik:

Das ältere System (Budowitz, Trimmel, Regelstein, Kuritka und einige anonyme): die Feder steckt in einem Schlitz am Hebel und schleift an einer durchgehenden Ausnehmung an der Unterseite des Daumenbretts. Die Feder kann sich seitlich bewegen, sie kratzt dann evtl. an der seitlichen Hebelführung, was zu Nebengeräuschen führt. Mit einem Handgriff ist aber eine kleine Holzplatte an der Unterseite des Griffbretts entfernt, dann kann man die Feder wieder geraderücken.

 

Nach 1900: Reisinger, Hochholzer und anonyme schrauben die Feder am Daumenbrett an, sie schleift am Hebel. Das System ist stabiler, aber träger, weil die Feder kürzer und daher dicker und strenger ist.


Hundertfünfzig Jahre Schrammelharmonika

"Der Musiker Franz Walther hatte um 1850 die Idee, ein Instrument bauen zu lassen, das 3 Reihen Knöpfe besaß und jedoch im ,,Gleichtonprinzip" gebaut war. Auf Ziehen und Drücken gab es je Knopf denselben Ton. Das erste Instrument hatte 46 Knöpfe, später wurden solche mit 52 Knöpfen gebaut. Der Tonumfang reichte von B bis g"'. Die Baßmechanik im heutigen Sinne fehlte noch, die Entwicklung war noch nicht so weit gediehen. So mußte man sich noch mit 8, später mit 12 diatonischen (wechseltönigen) Bässen und Akkorden begnügen. Es ist interessant, daß die ersten getrennten Bässe und Akkorde noch nicht vollkommen waren. Die Akkorde waren als ,,Zweiklänge" (Doppelgriffe) ausgebildet. Durch kluge Kombinationen ließen sich viele Akkorde bilden."

Das schreibt Walter Maurer in seinem Buch Accordion (Wien, 1983, vergriffen), die Quelle dieser Information scheinen Mitarbeiter der Firma Bauer in Wien Mariahilf (vor kurzem geschlossen) zu sein.

Sicher ist, dass Matthäus Bauer zur Industrieausstellung nach München 1854 sowohl eine neuartige "Clavierharmonika" (wo man die Melodie mit der rechten Hand spielte) als auch ein Instrument "mit halben Tönen, versehen mit dreireihiger Maschine" einsandte. Diesen Bericht zitiert auch Maurer (bei ihm ist die Ausstellung in Wien), und Andreas Teufel hat ihn für seine Magisterarbeit eingescannt.

Maurer: " Bereits Jahre vorher experimentierte Matth. Bauer mit der chromatischen Harmonika von Walther. Verschiedene Tastenformen wurden erprobt. Die erste ,,Clavierharmonika" baute Bauer bereits 1851, doch hatte das Instrument noch keine Klaviertasten im üblichen Sinne. Das Instrument war aber ,,chromatisch" und gleichtönig, d.h., auf Ziehen und Drücken je Taste immer der gleiche Ton. Die Bässe blieben wechseltönig."

 

 

Diese schöne Abbildung stammt aus Alfred Mireks Reference Book on Harmonikas
(Moskau, 1992), und er schreibt dazu:

G. Mirwald's Accordeon.
In 1891 a new thought of button-set system on the right keyboard set was proposed by the mechanic G. Mirwald by name in the City of Zelitue, Bavaria. The buttons of chromatic order were arranged in the askew trasversal
(?) way and three buttons in a row. All in all three vertical lines of the buttons could be observed. Such a button-set system was called "The Viennese System". On squeezing and releasing the bellows the sounds were not changed. Nevertheless the limited major accompaniment remained on the left side (later it was unificated by the italian mechanics, their system having been developed by that time already.)

In anderen Artikeln nennt er den Bayan als Weiterentwicklung des Wiener Systems bereits um 1890, bzw. datiert die Entwicklung des Wiener Systems auf 1880. Während der Sowjet-Ära nannte man es "Moscow System", im Gegensatz zum "Petersburger", das diatonisch war.

Frau Monika Marousek schreibt 2003 in der Zeitschrift des Wiener Akkordeonclub Favoriten:
"Das chromatische Akkordeon wurde in den 1850ern von F. Walter erbaut, als er die Stimmzungen einer dreireihigen diatonischen Akkordeons umarrangierte. Es konnte eine chromatische Tonleiter von 42 Tönen spielen . [...] erstmalig benutzt 1877 in einem Quartett bestehend aus einem Akkordeon, zwei Violinen und Basso Gitarre."

Soweit die wenigen publizierten Informationen, die (mir) bis vor kurzem bekannt waren.
Ausser Maurers Hinweis auf die 'Allgemeine deutsche Industrieausstellung' war, insbesondere die Rolle des Musikers Franz Walther betreffend, bislang nichts davon nachzuweisen.

Dass Walter Maurers Werk zu weiten Teilen ein Plagiat ist (die wenigen Sätze über die Schrammelharmonika vermutlich nicht), habe ich erst 2011 gesichert erfahren. Die Autoren Helmut C. Jacobs und Ralf Kaupenjohann haben schon 1984 detaillierte Vergleiche angestellt und die Beweise 1985 publiziert, und seit 2005 gibt es ihre Arbeit auch im Internet:

Helmut C. Jacobs / Ralf Kaupenjohann, Rezension zu Walter Maurer: Accordion

Ich zitiere ihn dennoch, weil mir zwar sein Buch nicht bekannt ist, aber zwei Webseiten mit offenbar von ihm abgeschriebenen Texten Ergebnis meiner frühesten Recherchen sind. Ich habe sie ca. 2002 im Google-Cache gefunden und weiß nicht, wer ihr Urheber ist.

Andreas Teufel, damals Musikstudent, hat mich 2004 erstmals kontaktiert und danach zwei Jahre lang selbständig recherchiert. Ihm ist die erste wissenschaftliche Arbeit über die Schrammelharmonika zu verdanken, die seit 2006, sorgfältig mit Bildern und Tonbeispielen versehen, auch im Internet vorliegt:

Die Schrammelharmonika - Magisterarbeit von Andreas Teufel


Anfang

Die Arbeit des jungen Matthäus Bauer fällt in eine Epoche regen Erfindergeistes im Orgel- und Harmoniumbau. Das Akkordeon in seinen vielen neuen Formen hat klanglich und technisch aufzuholen, und es muss vor allem billig sein. Die ganz neue chromatische Harmonika kostete 27 Gulden, Bauers Wiener Concertina dagegen nur 4. Sicher war der Versuch, ein ensemblefähiges Kammermusikinstrument zu bauen, nicht besonders lukrativ: Es wurden in Heimarbeit geschnittene Messingstimmplatten, Schafleder, Lederpappe, Birke, Buche, Ahorn, Perlmutt, Horn und Ebenholz verarbeitet, und hundertjährige Instrumente von Trimmel, Regelstein oder Budowitz sind bis heute spielbar und von exzellenter Qualität.

Der Grazer Musiker Lothar Lässer besitzt eine Schrammelharmonika, die 1874 von Walther gebaut wurde. Das ist also die, soweit mir bekannt, "älteste".

Karl Budowitz hat von 1882 bis 1925 gebaut. Bei fast allen seiner Instrumente wurde später (von Kuritka?) das ursprünglich schwarz politierte Holzgehäuse mit Bakelit verkleidet und mit einer schwarzen Kunststoffolie mit weißen Kanten versehen.
Die älteste Schrammelharmonika, die ich selbst besitze, ist eine Budowitz von 1889. Sie wurde (in den 1950er Jahren?) umgebaut: am unteren Ende der chromatischen Skala wurden drei Töne hinzugefügt, also die Kanzellenkörper erweitert, so dass das Instrument nunmehr einen Tonumfag vom G bis zum b''' hat. An Korpus und Mechanik ist aber kein Umbau feststellbar.
In gleicher Weise wurde auch eine noch ältere (1882) umgebaut, die im Besitz eines Wiener Sammlers ist, sowie auch eine Budowitz von 1891, die mir der Maler, Komponist und Akkordeonist Karl Hodina dankenswerterweise schenkte. Diese hat ausserdem 48 reguläre Akkordeonbässe (Grund- und Terzbass, sowie Dur-, Moll- und Septakkorde) erhalten.

Von Bauer sind mir nur zwei Instrumente aus den 1950ern begegnet, die nicht schwarz politiert sind (sondern mit grüner Kunstharzfolie belegt) und ein ausgesprochen weiches, rundes Klangbild geben. Man kann von einer sehr gelungenen Klarinettenimitation sprechen.
Bauers Fabrik soll in den 1880er Jahren bis zu 200.000 Instrumente jährlich exportiert haben, das dürften allerdings diatonische Handharmonikas gewesen sein.

In Wien nennt man das Instrument bis heute "Budowitzer", wer nachfragt, kriegt ein gemaultes "na, die Knöpferl halt" zu hören.
Ich behaupte deshalb, bewusst ungenau, dass Karl Budowitz der wahre Erfinder, jedenfalls aber der wesentliche Entwickler der Schrammelharmonika ist. Seine ersten Instrumente sind durchaus als rauh zu bezeichnen, innen wurde vorerst nicht politiert, mit fragwürdigem Zungenmaterial ausgerüstet. Später aber gelingen ihm die bei weitem grössten Exemplare der Gattung, wie zum Beispiel das Instrument von 1898, auf dem Barbara Faast das Glück hat zu spielen.
Über den Meister selbst ist mir bislang nichts näheres bekannt, sein Name deutet auf tschechische Vorfahren hin. Und die Tschechen, das weiss man ja, haben nicht nur einen Haufen Instrumente, sondern die Musik ganz allgemein erfunden ;-).

Interessant ist, dass Budowitz, wie auch Regelstein, die Stimmplatten selbst hergestellt hat. Vielleicht ja zunächst aus Not, aber heute führe ich die klangliche Überlegenheit ihrer Instrumente darauf zurück, dass diese Handwerksmeister jedes Detail ihrer Arbeit selbst gestalten wollten und konnten.

Der Boom

Nach dem frühen Tod der Brüder Schrammel 1891 und 1892 (zur Weltausstellung in Chicago fuhren Substituten) war der Bedarf an Schrammelmusik bereits enorm. Durch sie hatte Wien eine "eigene" Musik bekommen, die sich, einem Schmelztiegel entsprechend, aus volkstümlichen Stilen der gesamten Monarchie zusammensetzte.

Da war der "Runde", als Ländler aus dem oberen Donauraum bekannt;
da waren die "Tanz" (im Singular mit dunklem a), höfische Menuette, ungarisch-virtuos zelebriert;
es gab unzählige Militärmärsche, von den Schrammeln zu weinselig torkelnder Gassenhauerei missbraucht;
und an Liedern aller Art gab es in Wien ohnehin nie Mangel.

Schrammel- und Lanner-Quartette gab es also zuhauf, die Harmonikamacherei boomte bis nach dem ersten Weltkrieg. Die meisten Instrumente, die ich gesehen habe, stammen aus den 1920er und -30er Jahren.
Zwei Generationen Reisinger, Edmund Hochholzer, Josef Trimmel, Pospisil, Bauer, Pick, Adolf Regelstein, Franz Kuritka, Rudolf Barton sind neben Budowitz zu nennen, dazu eine unbekannte Zahl von Handwerkern, die, vermutlich aus gewerberechtlichen Gründen, ihre Namen geheimhielten.

Das Ende

Bis 1954 hat Franz Kuritka erstklassige Harmonikas gebaut, er war Lehrling und Nachfolger von Regelstein & Raab. Josef Mikulas widmete ihm einen seiner unzähligen Märsche: "Franz in allen Gassen". Er nannte seine letzten Instrumente "Schrammel- und Jazzharmonika", im Kontrast zu der von Reisinger jun. verwendeten Bezeichnung "Concertharmonika". Damit versuchte er, vermutlich auf Anregung von Musikern, auf eine weitere stilistische Wende einzugehen, die aber leider mit keinem bekannten Interpreten zu verknüpfen ist. Geige und Akkordeon waren noch in den 1950er Jahren fixer Bestandteil vieler Unterhaltungsorchester, und ein Foto in Klaus Schulz' Buch "Jazz in Österreich 1920-1960" zeigt 1927 tatsächlich einen Musiker namens Göttler, der als Teil der "Original Colorado Band" in der Weihburgbar eine Schrammelharmonika trägt. Im Prinzip hat das sanfte Instrument den Wiener Stil aber nie verlassen - wenn man meine Punkexzesse bzw. auch Hans Albers nicht mitzählt, dem die Budowitzer 1941 beim Dreh zu Große Freiheit No. 7 in Prag über den Weg lief.

Ich selbst hatte das Glück, 1995 eine 1954 von Franz Kuritka gebaute Harmonika zu erwerben, die tatsächlich ungespielt über 40 Jahre in Grünbach am Schneeberg bei Hansi Nötsch auf mich gewartet hat. Den Tränen nahe hat er damals, Urgestein und Multiinstrumentalist, gerade 70 geworden, gesagt: 'I glaub, jetzt derlern' I's nimmer' und wollte, dass sie zu mir kommt. Ich hatte nicht mehr als 4000,- Schilling zu bieten, er hat 1954 10.000,- bezahlt....

Ein weiterer Lehrling von Regelstein, und späterer Meister, war Leopold Hlinka, der bis 1957 selbständig und älter als Kuritka war. Von ihm habe ich noch kein Instrument gesehen, sie scheinen sehr beliebt zu sein, wo sie sind. Sein Sohn gleichen namens, 2013 80jährig, der den Beruf ebenfalls erlernt hat ('Aber wo soll i arbeitn?!'), beschreibt die Situation in den 1950ern so: 'Der Rudolf Barton war so was, so wie ein Gott. Seine Frau hat für alle die Bälge gemacht, und die Bretter, wir waren ja keine Tischler, sind woanders hergekommen.' Die Balgpresse im Keller der Bartonschen Wohnung habe ich selbst gesehen.

Die letzten Schrammelharmonikas, die aus dieser Tradition gebaut wurden, stammen von Rudolf Barton und seinem letzten Konkurrenten Karl Macourek. Als Restaurator, Hersteller und Stimmer von unzähligen großartigen Instrumenten hat Barton sich einen ganz besonderen Sonderplatz im Schrammelhimmel verdient - er ist 2002 verstorben. Herr Macourek ist in Pension und lebt in Niederösterreich.

Die Gegenwart

2005 gibt es auf Dachböden, in Kellern, bei Großmüttern oder auf Flohmärkten vielleicht noch hundert funktionstüchtige Schrammelharmonikas sowie etwa 25 MusikerInnen, die sie bedienen können.
Was es in Wien nicht gibt, ist ein Harmonikamacher, der in der Lage wäre, die Instrumente kunstgerecht zu restaurieren.

Im steirischen Sebersdorf baut heute Herfried Zernig auf Bestellung Schrammelharmonikas nach dem Vorbild einer Budowitz von 1900, die Bassknöpfe handfreundlich auf der Vorderseite.

In seiner nicht viel mehr als hundertjährigen Geschichte hat dieses Instrument sicher mehrere tausend Musiker und einige hundert Handwerker ernährt. Es hat eine reiche Vergangenheit, und es könnte eine reizvolle Zukunft haben.


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