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In meiner langjährigen Praxis als Autodidakt auf diesem Instrument habe ich Informationen verschiedenster Art über die Schrammelharmonika gesammelt. Nachdem ich inzwischen an die 60, 70 Instrumente gesehen, zerlegt, gestimmt, repariert und nicht zuletzt gespielt habe, möchte ich auch meine eigenen Erfahrungen und Schlussfolgerungen der interessierten Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Ich beanspruche weder Wissenschaftlichkeit noch Copyright
für diesen Text, denn viele meiner Informationen stammen aus zweiter
Hand, durch mündliche Erzählung oder im Gespräch überliefert. (zuletzt aktualisiert am 26.05.'13) |
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Die Technik | |
chromatisch, 2chörig, 104 Zungen (G-b'''), Schwebung 6Hz-0.25Hz.
Die Stimmplatten sind aus weichem Messing, die Zungen aus
blau gehärtetem Federstahl (Schwedenstahl nannte ihn der Stimmer
Rudolf Barton). Noch 1872 wurden auch in Wien ähnlich klingende dreireihig
diatonische (wechseltönige) Instrumente gespielt, die am unteren
Ende durch die beiden fehlenden Halbtöne erweitert waren (ähnlich
heutigen schottischen Systemen). Daraus schließe ich, dass schon
zu dieser Zeit Bedarf nach chromatischer Bereicherung der meist diatonischen
österr. Volksmusik bestand. Es dürfte aber schwierig gewesen
sein, die Zusatztöne sinnvoll einzusetzen, zumal sie ja nur je einmal
vorhanden waren. Der Klang ist möglicherweise der Geige, sicher aber der kehligen G-Klarinette nachempfunden. Tatsächlich hört man auf eine gewisse Distanz, bzw. auf alten Schellacks, kaum einen Unterschied. Bei Mehrstimmigkeit (die enge Lage erlaubt ja Akkorde innerhalb von mehr als drei Oktaven), erlebt man ein samtiges, eher mittiges Klangbild, das - korrekte Stimmung vorausgesetzt - von der Unhörbarkeitsgrenze über sanftes Murmeln bis zum fünfstimmigen Trompetenorchester extreme Dynamik erlaubt. Beim Mischen sind die Schlüsselfrequenzen bei 650-800Hz bzw. 4,2kHz. |
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"diatonisch", Basston eine Oktave, Akkorde einchörig, 60 Zungen. Von "limited" zu sprechen (s. Mirek) ist durchaus korrekt - Wechselbass ist vielfach nur durch Balgwechsel zu erreichen. Somit drängt sich die Vermutung auf, dass dieses System nie als zur Begleitung dienend gemeint war, sondern vielmehr als allgemeine Erweiterung des Tonumfangs bei geringstmöglichem Platzbedarf. Als reines Ensembleinstrument definiert ist die Schrammelharmonika mit diesem Bassystem viel leistungsfähiger als herkömmliche Arrangements das vermuten lassen. Wie der Musikwissenschafter und Geiger Hermann Fritz sagt, war vor 1890 der Wechselbass (abwechselnd erste und fünfte Stufe im Bass, bei gleichbleibendem Nachschlag) in der österreichischen Volksmusik nicht üblich. Dagegen findet sich häufig die große Terz im Bass, und die speziell "wienerische" Rückung um eine große Terz nach unten kommt bei Strohmayer, Schrammel, Katzenberger wie auch bei Bruckner, Schubert und den anderen "Klassikern" vor. Was heute, bedingt durch das Quintbasssystem, eine eigene Knopfreihe erfordert oder weit entfernt liegt, ist mit der Schrammelharmonika ganz leicht zu spielen. Josef Mikulas hat, im Duo mit seinem Bruder, dem Geiger Karl Mikulas, um 1930 nachgewiesen, dass das Basssystem durchaus Sinn macht - um nicht zu sagen, wiederum einen Mi(e)tmusiker, den Gitarristen, einspart. |
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Balg: Neun Falten aus Lederpappe, die Eckverbindung ist metallfrei (lackiertes Leder). Innen sind, meist zur Diskantseite weisend, Buchen- oder Birkenholzstreifen aufgeklebt, die entweder der Versteifung oder, wie ich lieber glaube, der Klangdämpfung dienen. Der Balg ist mit 4cm Fichtenholzrahmen versehen, die mittels Klapphaken am Bass- bzw. Diskantkorpus befestigt sind. Somit ist das Öffnen des Instrumentes eine Sache von 4 Handgriffen. Mir ist so ein Balg viel zu kurz, darum habe ich einen mit 10 Falten machen lassen, ihn in der Mitte auseinandergeschnitten und einen Fichtenholzrahmen eingesetzt. Der hat wegen der diagonalen Verwindung nicht lange gehalten, darum liess ich noch einen mit 15 Falten und 2 Rahmen bauen. So funktioniert's. |
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Das ältere System (Budowitz, Trimmel, Regelstein, Kuritka und einige anonyme): die Feder steckt in einem Schlitz am Hebel und schleift an einer durchgehenden Ausnehmung an der Unterseite des Daumenbretts. Die Feder kann sich seitlich bewegen, sie kratzt dann evtl. an der seitlichen Hebelführung, was zu Nebengeräuschen führt. Mit einem Handgriff ist aber eine kleine Holzplatte an der Unterseite des Griffbretts entfernt, dann kann man die Feder wieder geraderücken.
Nach 1900: Reisinger, Hochholzer und anonyme schrauben die Feder am Daumenbrett an, sie schleift am Hebel. Das System ist stabiler, aber träger, weil die Feder kürzer und daher dicker und strenger ist. |
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Hundertfünfzig Jahre Schrammelharmonika "Der Musiker Franz Walther hatte um 1850 die Idee, ein Instrument bauen zu lassen, das 3 Reihen Knöpfe besaß und jedoch im ,,Gleichtonprinzip" gebaut war. Auf Ziehen und Drücken gab es je Knopf denselben Ton. Das erste Instrument hatte 46 Knöpfe, später wurden solche mit 52 Knöpfen gebaut. Der Tonumfang reichte von B bis g"'. Die Baßmechanik im heutigen Sinne fehlte noch, die Entwicklung war noch nicht so weit gediehen. So mußte man sich noch mit 8, später mit 12 diatonischen (wechseltönigen) Bässen und Akkorden begnügen. Es ist interessant, daß die ersten getrennten Bässe und Akkorde noch nicht vollkommen waren. Die Akkorde waren als ,,Zweiklänge" (Doppelgriffe) ausgebildet. Durch kluge Kombinationen ließen sich viele Akkorde bilden." Das schreibt Walter Maurer in seinem Buch Accordion (Wien, 1983, vergriffen), die Quelle dieser Information scheinen Mitarbeiter der Firma Bauer in Wien Mariahilf (vor kurzem geschlossen) zu sein. Sicher ist, dass Matthäus Bauer zur Industrieausstellung nach München 1854 sowohl eine neuartige "Clavierharmonika" (wo man die Melodie mit der rechten Hand spielte) als auch ein Instrument "mit halben Tönen, versehen mit dreireihiger Maschine" einsandte. Diesen Bericht zitiert auch Maurer (bei ihm ist die Ausstellung in Wien), und Andreas Teufel hat ihn für seine Magisterarbeit eingescannt. Maurer: " Bereits Jahre vorher experimentierte Matth. Bauer mit der chromatischen Harmonika von Walther. Verschiedene Tastenformen wurden erprobt. Die erste ,,Clavierharmonika" baute Bauer bereits 1851, doch hatte das Instrument noch keine Klaviertasten im üblichen Sinne. Das Instrument war aber ,,chromatisch" und gleichtönig, d.h., auf Ziehen und Drücken je Taste immer der gleiche Ton. Die Bässe blieben wechseltönig."
Diese schöne Abbildung stammt aus Alfred Mireks
Reference Book on Harmonikas G. Mirwald's Accordeon. In anderen Artikeln nennt er den Bayan als Weiterentwicklung des Wiener Systems bereits um 1890, bzw. datiert die Entwicklung des Wiener Systems auf 1880. Während der Sowjet-Ära nannte man es "Moscow System", im Gegensatz zum "Petersburger", das diatonisch war. Frau Monika Marousek schreibt 2003 in der
Zeitschrift des Wiener
Akkordeonclub Favoriten: Soweit die wenigen publizierten Informationen, die (mir) bis vor
kurzem bekannt waren. Dass Walter Maurers Werk zu weiten Teilen ein Plagiat ist (die wenigen Sätze über die Schrammelharmonika vermutlich nicht), habe ich erst 2011 gesichert erfahren. Die Autoren Helmut C. Jacobs und Ralf Kaupenjohann haben schon 1984 detaillierte Vergleiche angestellt und die Beweise 1985 publiziert, und seit 2005 gibt es ihre Arbeit auch im Internet: Helmut C. Jacobs / Ralf Kaupenjohann, Rezension zu Walter Maurer: Accordion Ich zitiere ihn dennoch, weil mir zwar sein Buch nicht bekannt ist, aber zwei Webseiten mit offenbar von ihm abgeschriebenen Texten Ergebnis meiner frühesten Recherchen sind. Ich habe sie ca. 2002 im Google-Cache gefunden und weiß nicht, wer ihr Urheber ist. Andreas Teufel, damals Musikstudent, hat mich 2004 erstmals kontaktiert und danach zwei Jahre lang selbständig recherchiert. Ihm ist die erste wissenschaftliche Arbeit über die Schrammelharmonika zu verdanken, die seit 2006, sorgfältig mit Bildern und Tonbeispielen versehen, auch im Internet vorliegt: Die Schrammelharmonika - Magisterarbeit von Andreas Teufel |
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Anfang Die Arbeit des jungen Matthäus Bauer fällt in eine Epoche regen Erfindergeistes im Orgel- und Harmoniumbau. Das Akkordeon in seinen vielen neuen Formen hat klanglich und technisch aufzuholen, und es muss vor allem billig sein. Die ganz neue chromatische Harmonika kostete 27 Gulden, Bauers Wiener Concertina dagegen nur 4. Sicher war der Versuch, ein ensemblefähiges Kammermusikinstrument zu bauen, nicht besonders lukrativ: Es wurden in Heimarbeit geschnittene Messingstimmplatten, Schafleder, Lederpappe, Birke, Buche, Ahorn, Perlmutt, Horn und Ebenholz verarbeitet, und hundertjährige Instrumente von Trimmel, Regelstein oder Budowitz sind bis heute spielbar und von exzellenter Qualität. Der Grazer Musiker Lothar Lässer besitzt eine Schrammelharmonika, die 1874 von Walther gebaut wurde. Das ist also die, soweit mir bekannt, "älteste". Karl Budowitz hat von 1882 bis 1925 gebaut. Bei fast
allen seiner Instrumente wurde später (von Kuritka?) das ursprünglich
schwarz politierte Holzgehäuse mit Bakelit verkleidet und mit einer
schwarzen Kunststoffolie mit weißen Kanten versehen. Von Bauer sind mir nur zwei Instrumente
aus den 1950ern begegnet, die nicht schwarz politiert sind (sondern mit
grüner Kunstharzfolie belegt) und ein ausgesprochen weiches, rundes
Klangbild geben. Man kann von einer sehr gelungenen Klarinettenimitation
sprechen. In Wien nennt man das Instrument bis heute "Budowitzer",
wer nachfragt, kriegt ein gemaultes "na, die Knöpferl halt"
zu hören. Interessant ist, dass Budowitz, wie auch Regelstein, die Stimmplatten selbst hergestellt hat. Vielleicht ja zunächst aus Not, aber heute führe ich die klangliche Überlegenheit ihrer Instrumente darauf zurück, dass diese Handwerksmeister jedes Detail ihrer Arbeit selbst gestalten wollten und konnten. |
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Der Boom Nach dem frühen Tod der Brüder Schrammel 1891 und 1892 (zur Weltausstellung in Chicago fuhren Substituten) war der Bedarf an Schrammelmusik bereits enorm. Durch sie hatte Wien eine "eigene" Musik bekommen, die sich, einem Schmelztiegel entsprechend, aus volkstümlichen Stilen der gesamten Monarchie zusammensetzte. Da war der "Runde", als Ländler aus dem oberen
Donauraum bekannt; Schrammel- und Lanner-Quartette gab es also zuhauf, die
Harmonikamacherei boomte bis nach dem ersten Weltkrieg. Die meisten Instrumente,
die ich gesehen habe, stammen aus den 1920er und -30er Jahren. |
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Das Ende Bis 1954 hat Franz Kuritka erstklassige Harmonikas gebaut, er war Lehrling und Nachfolger von Regelstein & Raab. Josef Mikulas widmete ihm einen seiner unzähligen Märsche: "Franz in allen Gassen". Er nannte seine letzten Instrumente "Schrammel- und Jazzharmonika", im Kontrast zu der von Reisinger jun. verwendeten Bezeichnung "Concertharmonika". Damit versuchte er, vermutlich auf Anregung von Musikern, auf eine weitere stilistische Wende einzugehen, die aber leider mit keinem bekannten Interpreten zu verknüpfen ist. Geige und Akkordeon waren noch in den 1950er Jahren fixer Bestandteil vieler Unterhaltungsorchester, und ein Foto in Klaus Schulz' Buch "Jazz in Österreich 1920-1960" zeigt 1927 tatsächlich einen Musiker namens Göttler, der als Teil der "Original Colorado Band" in der Weihburgbar eine Schrammelharmonika trägt. Im Prinzip hat das sanfte Instrument den Wiener Stil aber nie verlassen - wenn man meine Punkexzesse bzw. auch Hans Albers nicht mitzählt, dem die Budowitzer 1941 beim Dreh zu Große Freiheit No. 7 in Prag über den Weg lief. Ich selbst hatte das Glück, 1995 eine 1954 von Franz Kuritka gebaute Harmonika zu erwerben, die tatsächlich ungespielt über 40 Jahre in Grünbach am Schneeberg bei Hansi Nötsch auf mich gewartet hat. Den Tränen nahe hat er damals, Urgestein und Multiinstrumentalist, gerade 70 geworden, gesagt: 'I glaub, jetzt derlern' I's nimmer' und wollte, dass sie zu mir kommt. Ich hatte nicht mehr als 4000,- Schilling zu bieten, er hat 1954 10.000,- bezahlt.... Ein weiterer Lehrling von Regelstein, und späterer Meister, war Leopold Hlinka, der bis 1957 selbständig und älter als Kuritka war. Von ihm habe ich noch kein Instrument gesehen, sie scheinen sehr beliebt zu sein, wo sie sind. Sein Sohn gleichen namens, 2013 80jährig, der den Beruf ebenfalls erlernt hat ('Aber wo soll i arbeitn?!'), beschreibt die Situation in den 1950ern so: 'Der Rudolf Barton war so was, so wie ein Gott. Seine Frau hat für alle die Bälge gemacht, und die Bretter, wir waren ja keine Tischler, sind woanders hergekommen.' Die Balgpresse im Keller der Bartonschen Wohnung habe ich selbst gesehen. Die letzten Schrammelharmonikas, die aus dieser Tradition gebaut wurden, stammen von Rudolf Barton und seinem letzten Konkurrenten Karl Macourek. Als Restaurator, Hersteller und Stimmer von unzähligen großartigen Instrumenten hat Barton sich einen ganz besonderen Sonderplatz im Schrammelhimmel verdient - er ist 2002 verstorben. Herr Macourek ist in Pension und lebt in Niederösterreich. |
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Die Gegenwart 2005 gibt es auf Dachböden, in Kellern, bei Großmüttern
oder auf Flohmärkten vielleicht noch hundert funktionstüchtige
Schrammelharmonikas sowie etwa 25 MusikerInnen, die sie bedienen können.
Im steirischen Sebersdorf baut heute Herfried Zernig auf Bestellung Schrammelharmonikas nach dem Vorbild einer Budowitz von 1900, die Bassknöpfe handfreundlich auf der Vorderseite. |
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