Der/Die Urheber/in des folgenden Textes ist mir leider unbekannt, ich habe ihn ca.2002 im Google-Cache gefunden. Zu dem Buch von Walter Maurer, das ich selbst nie gesehen habe, und den darin enthaltenen Plagiaten und Fehlern gibt es seit 1985 folgende ausführliche Dokumentation: Helmut C. Jacobs / Ralf Kaupenjohann, Rezension zu Walter Maurer: Accordion

Mit herzlichem Dank an die Autoren,
Walther Soyka
2011

 

 

Die Geschichte des Akkordeons



Die meisten Informationen des nachstehenden Textes stammen aus folgendem sehr empfehlenswerten Buch: Walter Maurer, "Das Accordion", "Handbuch eines Instruments, seiner historischen Entwicklung und seiner Literatur", Harmonia Musikverlags- und Handelsgesellschaft m. b. H., Wien 1983 (vergriffen).


 

Zyrill Demian - der Erfinder des "Accordions"

In Wien erhielt am 23. Mai 1829 der Orgel- und Klaviermacher Zyrill Demian ein Patent für ein Instrument, das er ,,Accordion" genannt hatte. Mit dem Patent wurde eine Privilegiumsdauer verliehen, die ihm in den österreichischen Landen die alleinige Nutzung zusicherte. 1841 wurden in dem Buch: ,,Beschreibung der Erfindungen und Verbesserungen für welche in den kaiserlich-königlichen österreichischen Staaten Patente ertheilt wurden, und deren Privilegiums-Dauer nun erloschen ist" (herausgegeben auf Anordnung der kaiserl. königl. allgemeinen Hofkammer) die Patente der Jahre 1821 - 1835 angeführt. Auf Seite 281 lesen wir:

Zweijähriges Privilegium des Zyrill Demian und der Söhne desselben Karl und Guido Demian, Orgel- und Klaviermacher in Wien, auf die Erfindung eines neuen Instrumentes, Accordion genannt. Ertheilt am 23. Mai 1829. Im Jahre 1831 auf drei folgende Jahre verlängert. Erloschen durch Zeitablauf im Jahre 1834. Dieses Instrument hat die Gestalt eines kleinen Kästchens mit einem Blasbalge. Die Bodenplatte ist mit 5 Tasten versehen, von denen jede einen Akkord zum Ansprechen bringt. Die vibrirenden Theile sind dünne Metallplättchen, welche ein Schnarrwerk mit durchschlagenden Federn bilden.

Das in der Patentschrift erwähnte ,,Accordion" hatte einen Tonumfang von c' bis e''. Leider ist das erste Modell von Demians ACCORDION nicht erhalten geblieben. Es wurde vom Obersten Hofmeisteramte des österr. Kaisers aufbewahrt und im Laufe von mehr als 100 Jahren in einige Gebäude ,,übersiedelt". Es ist interessant, daß eines der ersten Modelle seinen Weg nach Italien nahm, wo im Jahre 1863 Paolo Soprani eine originale Nachbildung hergestellt hat. Schon wenige Monate nach der Erfindung brachte Demian größere Modelle heraus. Instrumente mit 6 Tasten sind im Technischen Museum in Wien erhalten geblieben. Dorthin kam ein Teil der kaiserlichen Sammlung. Trotz der Kriegswirren und Zerstörungen wurden diese Modelle fast funktionstüchtig bis in die heutige Zeit gerettet. Demian hat verschiedene Möglichkeiten bei der Herstellung der Tasten (Claves) ausprobiert: aus Holz, aus Metall gepreßt, Clavisdrähte an die Taste montiert und an den Draht ein eigenes Abdeckplättchen gelötet. Die Plättchen waren aus Metall und hatten zur besseren Luftabdichtung schon Filzauflagen (später Filz und Leder). Eines der ersten Akkordeons ist nebenstehend abgebildet.

Schon am 22. Juli 1829 berichtet man in der ,,Wiener Zeitung", daß es jetzt ,,Accordions" mit 5, 6, 7, 8, 9 und 10 Klappen gebe. Jede Taste gab zwei verschiedene Töne, einen durch Aufziehen des Balges, einen anderen durch Zudrücken. Somit hatte ein Accordion mit 5 Klappen einen Tonumfang von 10 Tönen, ein solches mit 6 Klappen 12 Töne usw. Jedem dieser Töne war ein besonderer Akkord unterlegt, der als Begleitung diente. Dieser Akkord konnte durch Bedienen einer eigenen Klappe (Mutation) gedämpft werden. So waren dann die einzelnen Töne besser erkennbar.

Demian hatte also seine Erfindung ,,ACCORDION" genannt, weil er in seinem Instrument Vierklänge gleichzeitig mit den Melodietönen zum Erklingen brachte.

Die Korpusteile des ,,Accordions" waren aus Hartholz gefertigt. Die,,Kästchen" waren außen poliert oder politiert. Bei Luxusmodellen wurde auch Ebenholz verwendet, und man verzichtete auch nicht auf Intarsienarbeiten. Im Inneren des Kästchens kam zumeist Weichholz zur Verwendung. Der Balg war ein Lederbalg, wie man ihn aus Jahrhunderte alter Erfahrung vom Regal-, Positiv- oder Ponativbau her kannte. Beim Accordion verwendete man feineres Leder, da der Balg sehr klein war.

Der Spielwind (Luft) wurde durch das Anheben einer Klappe durch ein Loch direkt ins Instrument zur Stimmzunge geführt. Diese ,,Fedem", wie man damals zu sagen pflegte, waren aus gehärtetem Messingdraht gehämmert und direkt auf eine Platte aus Holz (ab 1845 Metallplatten) aufgenagelt. Erst später verwendete man für die Zungen andere Metalle, bis man schließlich bei einem speziellen Stahl verblieben ist. Die Zungen waren also alle auf einer dünnen Holzplatte montiert. Die Schlitze zum Hindurchschwingen der Zunge waren direkt in die Platte geschnitten. Den Kanzellenkörper mit den Stimmplatten für jeden Ton kannte man am Anfang noch nicht. Zunächst arbeitete man mit Zwischenböden, dann baute man Zwischenwände zwischen die einzelnen Zungen, was dann schließlich zum Kanzellenkörper von heute führte.

Die beiden Begleitakkorde (z.B.: C-Dur-Vierklang beim Aufziehen, G-Septimenakkord beim Zudrücken) hatten vorerst keine eigene Klappe, sie klangen also ständig mit den Melodietönen mit. Die Öffnung konnte mit der sog. ,,Mutation" geschlossen werden. In den ersten Berichten kann man von einer Dämpfung der Akkorde lesen: An der Instrumenteninnenseite (zum Körper gewandt) waren Löcher angebracht. Drückte man diese an den Körper, erklang der Akkord gedämpft. Später baute man die Mutation als ,,Schieber", mit dessen Hilfe man die Akkorde bewußt mitspielen oder weglassen konnte.

In die ersten Instrumente waren nur die Töne einer bestimmten Dur-Tonart eingebaut. Hatte das ,,Accordion" nun mehr Tasten, als für eine Oktave gebraucht wurden, so erweiterte man den Tonumfang in die kleine und bis zur dreigestrichenen Oktave. In den Grenzbereichen in der Tiefe oder in der Höhe verwendete man jedoch nicht mehr alle Töne. Alsbald wurde auch in verschiedenen Tonarten gebaut. In den ersten Berichten lesen wir von verschiedener ,,Stimmung". Es gab Accordions in C-, D-, ES-, E-, G-Dur usw. Auf den kleineren Accordions konnte man nur in der Tonart spielen, in welcher ,,gestimmt" war. Auf größeren waren gewöhnlich 2 Tonarten enthalten (z. B.: G- und D-Dur, C- und F-Dur usw.).

Schließlich baute Demian 1831 das vollkommene Accordion, das in einer Reihe die Töne der Tonart und in der zweiten Reihe die fehlenden Halbtöne hatte. An der Baßseite gab es bereits eine Baßtonleiter in der Stimmung der Haupttonart mit wenigen Ergänzungen. Interessant ist, daß in der Reihe der zusätzlichen Halbtöne und in der Baßseite bereits das Gleichtonprinzip verwendet worden ist. Vorerst hatten nur die größeren Modelle ein Luftventil, um vor allem beim wechseltönigen Spiel immer genügend ,,Luftvorrat" zu haben. Der Luftknopf (wie man heute sagt) ist dann schließlich in alle Instrumententypen eingebaut worden.

Interessant ist noch die Haltung und die Spielweise der ersten Instrumententypen: Man hält das Instrument mit der rechten Hand am Boden, so daß die an der Seite befindliche Mutation gegen den Leib gekehrt ist. Der Daumen der linken Hand wird in die Schlaufe gesteckt, die hinter der Tastenreihe angebracht ist. Der 1., 2., 3. und 4. Finger dient, um die Tasten in Bewegung zu setzen. (Heute würde es 2., 3., 4. und 5. Finger heißen.) Die rechte Hand bedient das am Boden befindliche Ventil oder die dort angebrachten Klappen für die Akkorde und die kleinen Tasten für die Baßtöne. Um die den Tönen unterlegten Akkorde zu dämpfen, drückt man die Mutation leicht gegen den Leib. Für die rechte Hand ist bei größeren Accordions eine Schlinge angebracht, um das Instrument bequemer zu halten.[Adolph Müller; Accordion-Schule,1934]

Die mitklingenden Akkorde haben also dem ,,Accordion" seinen Namen gegeben. Wir finden allerdings heute noch die Auffassung, daß erst die Modelle des 20. Jh.s mit den gekoppelten Akkorden (Dur-, Moll-, Septimen- und verminderte Septakkorde) den Namen Akkordeon erhalten haben und Harmonika bzw. Ziehharmonika der ursprüngliche Ausdruck für diese Instrumententype gewesen sein mag. Es muß hier festgehalten werden, daß dieses Instrument ab dem Tag seiner Erfindung (1829) den Namen ,,Akkordion" getragen hat und diese Bezeichnung auch in vielen Spielanleitungen und Noten zu finden ist. Erst um 1900 verschwindet der Ausdruck ,,Akkordeon", um dem der ,,Harmonika" als ein-, zwei- oder dreireihiges Modell, als chromatische Schrammelharmonika, Platz zu machen. Der Name Akkordeon wird erst wieder nach dem 1. Weltkrieg für das Piano-Akkordeon aktualisiert.

Es kann festgestellt werden, das Zyrill Demian und seine Söhne Guido und Karl ein Instrument erfunden haben, das bereits alle Merkmale des Akkordeons von heute in sich barg und der Ursprung für jedwede Weiterentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert gewesen ist.

Das Demian'sche Accordion war wechseltönig und diatonisch. Heute finden wir noch immer die HANDHARMONIKA und die STEIRISCHE HARMONIKA mit fast gleichen Tonschritten. Die sog. Hilfstöne und die Gleichtöne hatte Demian bereits in seinem ,,vollkommenen Accordion". So wie vor 150 Jahren baut man heute noch die Handharmonikas in verschiedenen Tonarten (Stimmungen).

Demian verwendete Akkorde in wechselnden Lagen und hatte eine Reihe Einzelbässe. Durch die Entwicklung verschiedener Technologien konnte die Baßtechnik von heute entstehen, die schließlich die ,,starren" Akkorde in Dur-, Moll-Septime und verminderter Septime ermöglicht hat.



Demian verwendete das ,,Gleichtonprinzip" für seine Zusatzreihe Halbtöne) und für die Baßtonreihe. Der Musiker Franz WALTHER hatte die Idee, die verminderten Septakkorde als Knopfreihen zu nehmen, so daß um 1850 das erste gleichtonige chromatische ,,Accordion" entstanden ist.



Zu guter Letzt finden wir auch bei Demian schon die ersten Ansätze für den Melodiebaß von heute. Er hatte eine Baßtonleiter ohne Oktavknick in sein ,,vollkommenes Accordion" eingebaut.

Demian legte also die Wurzel aller Entwicklungen des Akkordeons bereits in seine ersten Modelle.

Schon ab 1831 entstehen in Paris sowie nach dem Verlust seines Privilegiums 1834 durch Zeitablauf spontan auch in Wien weitere Erzeugungsbetriebe, die sofort mit dem Bau von Accordions beginnen. Sie alle haben entscheidend an der Fortentwicklung mitgewirkt. So manche Idee geriet aber alsbald wieder in Vergessenheit.

Die Entwicklung des Akkordeons an der Stätte der Erfindung bis 1900

Die Accordions von Demian waren ,,einchörig", d.h., einen Tremoloklang oder andere Klangfarben kannte man noch nicht. Interessant sind daher folgende Patente:

Einjähriges Privilegium des FRANZ BICHLER, Tischlergesellen, und des HEINRICH KLEIN, Uhrmachergesellen in Wien, auf die Verbesserung der Blasbalg-Harmoniken. Ertheilt am 22. Oktober 1834. Erloschen durch Zeitablauf im Jahre 1835. ... Diese Harmoniken bestehen aus einem viereckigen polierten Kästchen, an dessen Untertheile sich der Blasbalg mit dem Griffbrette befindet. Statt der Klaves sind Knöpfchen aus Metall angebracht. ...

Ein weiteres Patent hat folgenden Wortlaut:

Dreijähriges Privilegium des Wilhelm Friedrich Kaiser, befugten Harmonika-Verfertigers in Wien, auf Verbesserungen an den Harmoniken. Ertheilt am 8. Mai 1835. Erloschen durch Zeitablauf im Jahre 1838. ... Der Privilegierte gibt den Harmoniken die Gestalt von Taschenuhren mit Gehäusen von allen Gattungen Metall, Holz oder Papiermache. Durch angebrachte Verschiebungen können nach Belieben die Tonarten gewechselt werden. ...

Es erscheint uns recht zweifelhaft zu sein, Instrumente in der Form von Taschenuhren zu verfertigen. Da dieses Patent in der Gruppe ,,Instrumente mit Klaviatur" angeführt ist, bliebe ein Zuordnen zu den Mundharmonikas ausgeschlossen. Es sind auch weder Beschreibungen, Instrumente selbst oder gar ernsthafte Spielanleitungen, noch Berichte in Fachzeitschriften nachzuweisen. Ein typisches Beispiel für viele Experimente, die damals gemacht worden sind. Ein wesentlicher Teil der Erfindung ist allerdings bis zur heutigen Zeit erhalten geblieben: die ,,Verschiebung" zum Wechseln auf andere Tonarten ist als Ursprung unserer Register anzusehen und kehrte auch in der ,,Chromonica" (chromatische Mundharmonika) wieder.

Schon 1838 finden wir ein Accordion mit Metallknöpfen, Mutation, Akkordknopf und Luftventil mit einem eingebauten Schieber, der als erstes Register gilt. Ab diesem Zeitpunkt gibt es auch das sog. ,,Tremolo".

Interessant ist noch ein Privilegium aus dem Jahre 1835:

Zweijähriges Privilegium des Johann Klein, befugten Uhrkasten-Tischlers und Harmonika-Erzeugers in Wien, auf eine veränderte Form der Harmonika-Blasbälge. Ertheilt am 20. Julius 1835. Erloschen durch Zeitablauf im Jahre 1837.

Das Wesentliche dieser Erfindung besteht darin, daß diese Harmoniken die Gestalt eines Taschenbuches haben, und mit der bequemen Einrichtung verfertigt werden, daß sie durch einen an der Seite angebrachten Drücker aufspringen, wodurch die Klaviatur nebst dem Blasbalge zum Vorschein kommt." Dieses Modell wurde als ,,Kinderharmonika" bis ca. 1890 gebaut.

Um 1837 setzen auch Experimente ein, um dem Accordion andere Klangfarben zu geben. Zuerst versuchte man es mit aufgesetzten Trichtern (vgl. nebenstehendes Bild), die dem Ton einen trompetenartigen Klang geben sollten. Ein sog. Mutationsknopf wurde dafür benützt, um einmal die Luft durch die Trichter zu leiten und einmal nur aus den Schallöchern des Instrumentes selbst austreten zu lassen. Unten waren die Knöpfe für Akkord und Luft (Ventil) angebracht.

Ab 1836 entstehen in Wien immer mehr Betriebe, die sich der Accordion-Erzeugung widmen. Es soll nur einer stellvertretend hervorgehoben werden. 1836 gründete Matthäus Bauer einen Erzeugungsbetrieb. Er ist von allen wohl der erfolgreichste gewesen. Auf vielen Industrie- und Gewerbeausstellungen war er mit seinen Erzeugnissen vertreten, erlangte 1873 die Würde eines k. und k. Hoflieferanten und gründete um 1900 in Form einer Erzeugergenossenschaft die ,,Vereinigten Harmonikawerkstätten" von Wien. Es ist nachzuweisen, daß Bauer im Jahre 1838 die ersten Instrumente mit Kanzellenkörpern baute. Ein Kanzellenkörper besteht aus kleinen quaderförmigen Hohlräumen, die am Boden und an der Decke offen sind. An der Bodenseite befand sich das Loch mit dem Abdeckplättchen der Claves, am anderen Ende die Stimmplatte mit der Zunge. Die ersten Stimmplatten waren auch aus dünnem Holz, und der Schlitz für die Zunge war direkt aus dem Holz geschnitten. Später (um 1845) verwendete man auch schon Messingplättchen, aus denen zuerst die Schlitze gebohrt und gefeilt waren.

Nach und nach verschwanden die Instrumente mit der ,,Mutation", und man verzichtete auf die mitklingenden Akkorde. An ihre Stelle treten immer mehr die Experimente mit den ,,Schiebern".

In diese Zeit fällt auch die Entwicklung des sog. ,,Tremoloklanges" des Akkordeons.

Der Musiker Franz Walther hatte um 1850 die Idee, ein Instrument bauen zu lassen, das 3 Reihen Knöpfe besaß und jedoch im ,,Gleichtonprinzip" gebaut war. Auf Ziehen und Drücken gab es je Knopf denselben Ton. Das erste Instrument hatte 46 Knöpfe, später wurden solche mit 52 Knöpfen gebaut. Der Tonumfang reichte von B bis g"'. Die Baßmechanik im heutigen Sinne fehlte noch,die Entwicklung war noch nicht so weit gediehen. So mußte man sich noch mit 8, später mit 12 diatonischen (wechseltönigen) Bässen und Akkorden begnügen. Es ist interessant, daß die ersten getrennten Bässe und Akkorde noch nicht vollkommen waren. Die Akkorde waren als ,,Zweiklänge" (Doppelgriffe) ausgebildet. Durch kluge Kombinationen ließen sich viele Akkorde bilden.

In den Jahren zwischen 1840 und 1850 experimentierte man mit verschiedenen Holzarten für den Kasten des Instrumentes und für den Kanzellen-Körper. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung eines Kanzellenkörpers wie er heute üblich ist. Vor allem das erste Register, mit Hilfe dessen man Tremolo spielen konnte, erforderte ein Umdenken bei der Konstruktion des Anbringens der Stimmplatten.

Der Instrumentenkasten wurde größer, um bessere Klangqualität zu erlangen. Auch das war eines der Hauptanliegen dieser Zeitperiode.

1854 fand eine ,,Allgemeine deutsche Industie-Ausstellung" in Wien statt. Prof. Dr. K. Schafhäutl als Vorsitzender der Beurteilungskommission berichtet: ,, Fünf Aussteller hatten Accordions eingesandt". Darunter waren: Ferdinand Grün, Johann Cairo und Matthäus Bauer aus Wien und Carl Friedrich Uhlig aus Chemnitz. Uhlig erhielt die Ehrenmünze wegen vortrefflichen fabiksmäßigen Betriebes. Matth. Bauer aus Wien erhielt belobende Erwähnung. Dr. Schaffläutl berichtet: Matthäus Bauer aus Wien hatte 22 Instrumente in mannigfacher Art ausgestellt. Der Berichterstatter setzt fort: Drei Instrumente mit langer Mensur. Eines mit halben Tönen, versehen mit dreireihiger Maschine. Eine neue Art von Harmonikas, die er ,Clavierharmonika' nannte. Es besteht aus einem Kästchen, das eine kurze, schmale Claviatur von drei Oktaven besitzt wie ein Pianoforte. Hier wird die Melodie von der rechten Hand gespielt. An der linken Seite ist nun ein Blasebalg der gewöhnlichen Accordions angebracht welcher die Zungen mit Wind versieht an seiner unteren Platte mit den gewöhnlichen Bässen oder Accorden versehen ist und von der linken horizontal (waagrecht) bewegt wird. Der Preis war 45 fl. (= Gulden). Er erhielt lobende Erwähnung.

Zum ersten Mal wird erwähnt, daß am neuen Instrument nun mit der rechten Hand die Melodie und mit der linken Hand die Bässe gespielt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt war es üblich, mit der linken Hand die Melodie und mit der rechten die Bässe zu spielen.

Bereits Jahre vorher experimentierte Matth. Bauer mit der chromatischen Harmonika von Walther. Verschiedene Tastenformen wurden erprobt. Die erste ,,Clavierharmonika" baute Bauer bereits 1851, doch hatte das Instrument noch keine Klaviertasten im üblichen Sinne. Das Instrument war aber ,,chromatisch" und gleichtönig, d.h., auf Ziehen und Drücken je Taste immer der gleiche Ton. Die Bässe blieben wechseltönig.

Mit dem Schieber für das Schalten des ,,Tremoloklanges" - im Sprachgebrauch von 1850 hieß es ,,doppelstimmig" - hatte man auch die Grundlage der Register geschaffen.

Um 1845 erscheinen auch die ersten Instrumente mit Registern. Man unterscheidet dann Instrumente mit einfacher oder doppelter Stimmung mit oder ohne Register.

Schließlich entwickelte man die sog. ,,tiefere Oktave" als Register, d.h.,man konnte oktaviert die tiefere Oktave mitklingen lassen. Mit Hilfe derRegister gibt es dann die Möglichkeit in einfacher, doppelter oder dreifacher Stimmung zu spielen. Solche Instrumente werden auch (ab 1875) mit ,,dreifacher Orgelstimmung" angeboten.

Die Erzeuger sind bereit, den Wünschen der Musiker nachzukommen und bauen Tonart, Anordnung der Bässe und andere kleine Wünsche in die Instrumente mit ein.

Um 1880 scheint die Wiener Entwicklung abgeschlossen zu sein. Man bietet einen Modellreichtum an, der die einreihige, zweireihige und dreireihige ,,Harrnonika" umfaßt, sowie die chromatische Harmonika (später: ,,Schrammelharmonika") und die Piano- bzw. ,,Klaviermodelle". Als Stimmplattenmaterial wird angeboten: Zinkplatten mit besten Ajaxzungen oder Messingplatten mit Stahl-Zungen. Die Instrumente mit Stahlzungen waren um etwa 50% teurer als die mit Zinkplatten. Schließlich wurden auch noch beim Material für die Knöpfe entweder Beintasten oder solche aus Perlmutter angeboten.

1890 baute Matth. Bauer eine chromatische Harmonika mit 46 Primtasten, die er mit 46 Baßtasten - einzelne Töne -, wie im Prim anbot. Da wäre vielleicht der erste Beweis für die Entwicklung eines Melodiebaßinstrumentes. Es mag nur auf die Spielgewohnheiten und auf die gespielte Literatur angekommen sein, daß dieses Instrument sich nicht weiter entwickelt hat, bzw. wieder in Vergessenheit geraten ist.

Um 1890 wurde in Wien alles gebaut, was es auf dem weiten Gebiet ,,Akkordeon" gegeben hat. Wir finden die Fertigung der deutschen und englischen Concertina ebenso wie die des Bandonions. In Preislisten wird angeboten, die Instrumente auch in kleinerer Form wie die der italienischen Erzeuger herzustellen.

Weiterentwicklungen erfolgten kaum mehr, da die Anfordernisse, die an das Instrument herangetragen wurden, erfüllt zu sein scheinen.

Paris ab 1831

Im Jahre 1830 gelangte ein Demian'sches Accordion nach Paris. Der erste Erzeuger, der die Herstellung nachvollzogen hatte, war Napoleon Fourneux in Paris.

In der ersten Ausgabe der Musikzeitschrift ,,Le Menestrel" (Paris) aus dem Jahre 1834 finden wir einen Artikel über das Accordion. Darin wird es als kleines Instrument beschrieben, das von Wien nach Paris gekommen ist. Es ist von einem Aufsatz die Rede, der in einer Zeitschrift für Kuriositäten erschienen war. Das Accordion scheint aber schon in der ersten Zeit seiner Existenz in Paris so an Beliebtheit gewonnen zu haben, daß M. Reisner eine Schule für das Instrument schrieb. ,,Le Menestrel" beschreibt nun in dem Artikel die hervorragende Arbeit Reisners, seinen Unterricht und die Schule. Aus dem Vorwort zur Erstausgabe von M. Reisners Schule: Airs choises pour l'accordeon precedes d'une Instruction Methodique simple ... (Für das Akkordeon ausgewählte Melodien mit vorausgehender methodischer Instruktion):

...Instruktion, um das Akkordeon mit 8 Tasten spielen zu lernen: Das Akkordeon ist ein Instrument, dessen Harmonie besonders dem Ohr schmeichelt, und es hat einen beträchtlichen Vorteil gegenüber den anderen, indem es sich in wenigen Stunden erlernen läßt. Darin besteht sein wesentliches Verdienst. Der Autor garantiert, daß 6 Stunden genügen, um dieses Instrument in angenehmer Weise zu spielen, und die Personen, die mir ihr Vertrauen geben, können überzeugt sein, daß sie der Autor in der Folge die Wahrheit wissen lassen wird. Man spielt das Akkordeon mit der rechten Hand, legt den Daumen unter die Tasten, indem man ihn an den kleinen Kupferstab (die ersten französischen Erzeuger hatten an Stelle der Lederschlaufe einen Kupferbügel angebracht) legt, der unter den Tasten angebracht ist, so daß sich die vier Finger auf der Klaviatur befinden. Man stellt den Instrumentenkasten waagrecht auf das linke Knie, so daß der kleine Finger frei über der großen Klappe hinter dem Instrument ist, um sie nötigenfalls öffnen zu können. Die Buchstaben T (tirer) und P (poussez) über den Noten geben das Öffnen und Schließen des Balges an.

Die Ziffern geben die Taste der Klaviatur an, die man für jede der Noten drücken muß, die man spielen will. Die Bindungen über mehreren Noten geben an, daß man sie mit demselben Zug oder Druck spielen muß. Das Zeichen x gibt an, daß man die große Klappe mit dem kleinen Finger öffnen muß, um die Luft zu nehmen, wenn man noch Noten zu ,ziehen' hat. Die zwei Klappen an jeder Seite dienen, wenn man sie schließt, zur Aufhebung der Harmonie...


Die Beschreibung des Instruments paßt genau zu den ersten Modellen von Demian, nur empfiehlt M. Reisner bereits das Akkordeon mit der rechten Hand zu spielen und es auf das linke Knie aufzustellen. Hier verwendet Reisner eine Spielmethode, die sich in Wien erst Jahre später durchsetzt. Der Hinweis auf die Klappen zur Aufhebung der Harmonie sagt uns, daß sich auf dem französischen Accordion am Anfang auch die mitklingenden Akkorde befunden haben. Man hat also in Paris das Instrument vorerst nur nachgebaut, ohne weitere Verbesserungen anzubringen.

Am 12. Juni 1834 antwortet M. M. Pichenot in einem Leserbrief an die Zeitschrift ,,Menestrel", daß er schon Monate vor M. Reisner eine Unterrichtsmethode herausgegeben habe und seine Instrumente bereits vom Mechanikermeister Jonart verbessert worden sind. Pichenot bestreitet auch, daß es möglich sein kann, in nur 6 Lektionen das Instrument spielen zu können, was gegen jede künstlerische Gepflogenheit sei.

So hatte das Akkordeon schon in seinen ersten Lebensjahren einen Methodenstreit, und das in Paris!

1835 gab M. Reisner eine weitere Schule heraus. Im Vorwort wendet er sich direkt an die ,,Amateure des Akkordeons" wobei er erklärt, daß er seine erste Methode für Akkordeons mit 2 Oktaven ohne Halbtöne geschrieben habe, was einer großen Zahl von Fabrikanten (Musikinstrumentenherstellem) und den Amateuren zugute kam. In seiner zweiten - nun vorliegenden Methode - will er jedoch besonders auf die Instrumente mit 2 und 3 Oktaven Tonumfang mit Halbtönen eingehen. Er gibt hier auch Vergleiche mit dem Klavier an, obwohl das Akkordeon in Paris keinesfalls das Aussehen eines Pianos hatte.

1837 erschien in der Zeitschrift ,,Le Menestrel" ein Inserat des Fabrikanten M. Reisner. Reisner war also sehr tüchtig, denn er nahm die Fabrikation der Instrumente selbst in die Hand. 1845 gibt es in Frankreich eine Reihe von Erzeugern: Alexandre, Fourneaux, M. Kaneguissert, Busson, Reisner, Leterme, Kasriel, Neveux, Lebroux, Jaulin. Sie alle bauen die zwei Modelle: mit und ohne Halbtöne, wechseltönig und mit nur zwei Bässen. Auf das Mitklingen von Akkorden verzichteten sie, wie es auch die Erzeuger in Wien sehr bald taten. Um 1870 zählen die französischen Instrumente zu den anerkannten Erzeugnissen.

Schon um 1840 wurden in die Instrumente chromatische Töne eingebaut, so daß jede Melodie spielbar war. Der Aufbau selbst ist sehr interessant:

Obwohl das Instrument wechseltönig gebaut ist, hat es in der ersten Reihe noch den Tonaufbau des Demianschen Accordions, der aber, bedingt durch die Chromatik, in der zweiten Reihe verändert wird. In der ersten Reihe erkennen wir auch schon die Entwicklung zur chromatischen Harmonika von Walther: Die Tonfolge f - gis - h - d erscheint jedoch nur einmal.

Bis 1890 hatte man das Diskautmanual schon ,,geordnet": In der 1. Reihe erscheint nur die C-Dur-Tonleiter (wechseltönig), während in der 2. Reihe die chromatischen Halbtöne eingebaut sind. Einige Töne aus der 1. Reihe werden wiederholt, was nur bautechnisch bedingt ist. Die Baßseite entwickelte sich in Frankreich kaum. Zuerst gab es überhaupt keine Bässe auf den Instrumenten, die sichtbaren Klappen auf der linken Seite des Accordeons waren nur Luftventile. Erst nach 1870 gibt es auch Accordeons mit 2 Bässen. Der Krieg 1870/71 brachte unter anderem auch den Niedergang der Akkordeonproduktion in Frankreich. Nur mühevoll entwickelte sich eine Erzeugung in Paris, aber sie erlangte nicht wieder die Bedeutung, die sie vor 1870 gehabt hatte.

Die italienischen Fabrikate nehmen an Bedeutung zu und erringen alsbald einen erheblichen Marktanteil in Frankreich. Die italienischen Modelle brachten dann erst auch das Baßmanual allgemein zur Kenntnis.

Sachsen, Thüringen und Berlin

1852 brachte Adolph Herold ein Akkordeon nach Klingenthal. Er war als Tischler bei der Fa. Friedrich Geßner in Magdeburg beschäftigt, die 1845 die Produktion von Akkordeons aufgenommen hatte. Herold baute die Instrumente in der Werkstätte seines Vaters nach. Der Erfolg veranlaßte viele Mundharmonikamacher, auch Akkordeons zu bauen. In einem Bericht des ,,Vogtländischen Anzeigers" vom 19.7.1860 betrug die Jahresproduktion an Ziehharmonikas bereits 214.500 Stück. 1862 gab es in Klingenthal und Umgebung 20 Fabriken(!) mit 334 Arbeitern. Die bedeutendsten Firmen waren damals: Gebr. Gündel, Dörfel-Steinfelder & Co., Robert Mühlmann, F. A. Rauner A. G., Ernst Leiterd, Karl Essbach, Otto Weidlich, G. A. Dörfel, I. C. Seydel, I. C. Herold, C. A. Seydel Söhne, F. A. Böhm.1905 waren es dann schon 30 Betriebe, die Mund- und Ziehharmonikas erzeugten.

Julius Bertold gab ab 1870 der Harmonikaproduktion wertvolle Impulse. Er war der erste, der verschiedene Maschinen konstruiert hatte: Stanzen, Fräsen, Exzenterpressen zum Auspressen der Tonzungenschlitze, Scheren zum Schneiden von Zink, Messing und Neusilber, Kreissägen, Hobelmaschinen, Kehl-, Fräs- und Bohrmaschinen, eiserne Pressen mit verstellbarer Auflage zum Pressen der Pappe für die Harmonikabälge und Stimmzungenfräsmaschinen.

Nach dem 1. Weltkrieg schlossen sich, bedingt durch Inflation und Rezession, verschiedene Betriebe zu Aktiengesellschaften zusammen, um die Produktion besser zu rationalisieren, höhere Gewinne zu erzielen und der Konkurrenz besser begegnen zu können.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden einige Betriebe zu den VEB Klingenthaler Harmonikawerken und den VEB Mundharmonikawerken ,,Vermona" vereinigt.

Im Jahre 1836 begann Heinrich Wagner in Gera den Handel mit ,,Accordions". Wagner war vorher von seinen Verwandten nach Wien gerufen worden, um dort den Bau von Mundharmonikas und Accordions zu erlernen. Sein Schwager baute in Wien die Instrumente, und Wagner verkaufte sie in Thüringen. Schließlich bemerkte er, daß mit den Instrumenten viel Geld zu verdienen war, und startete selbst eine Produktion. Er stellte von Jahr zu Jahr mehr Lehrlinge ein und beschäftigte zwischen 1850 und 1852 schon 100 Arbeiter, was aus Handelskammerberichten hervorgeht. 1867 hatte sich der Betrieb auf 380 Arbeiter entwickelt. 1890 wurde die Fabrik nach dem Tode Wagners aufgelöst, und die Markenrechte kaufte die Fa. Buttstädt in Gera.

Um 1845 entstand für Wagner die erste Konkurrenz, denn Friedrich Geßner gründete eine Fabrik in Magdeburg. 1855 soll er schon 150 Arbeiter beschäftigt haben. 1858 folgte noch die Firma Traugott Schneider. Die Nachfolger beider Betriebe hatten kein Interesse an der Weiterentwicklung der Instrumente, wollten die Herstellungsmethoden nicht modernisieren, so daß sie 1909 und 1910 ihre Firmen verkauften. Geßner verkaufte an die Matth. Hohner AG und Schneider an A. G. Dörfel in Brunndöbra.

Trotzdem war in Thüringen um 1860 die gleiche Entwicklung wie in Klingenthal und in Trossingen zu erkennen. Immer mehr Betriebe wurden gegründet. 1901 gab es im Gera-Altenburger-Gebiet ca. 15 Harmonikafabriken, und die Zahl nahm bis 1912 immer zu. Jeder Betrieb beschäftigte im Durchschnitt 50 bis 80 Arbeitskräfte, und alle waren maschinell sehr gut ausgerüstet.

Viele Unternehmer gaben aber vor allem nach dem 1. Weltkrieg auf, sodaß zu Beginn des 2. Weltkrieges nur mehr 4 Betriebe übrig waren: A. Pitschler & Sohn, Kahnt & Uhlmann, H. Buttstädt, F. Topel A.G.

In Berlin entstanden ebenfalls um 1860 die beiden Firmen Pietschmann & Sohn und Kalbe. Um 1880 beschäftigten sie je 150 Arbeiter und exportierten vor allem nach Südamerika und in die englischen Kolonien. Durch die willkürliche Zollerhöhung (1908 bis1910) konnten sie eine Absatzstockung nicht überwinden und verkauften.

Die Firma Kalbe wurde an die Matth. Hohner AG verkauft, so daß der Markenname ,,Imperial" für Akkordeons auf dem Weltmarkt erhalten blieb.

Trossingen - die Harmonikastadt

Im Jahre 1903 nahm Matth. Hohner (seit 1857 in Trossingen mit der Produktion von Mundharmonikas befaßt) und wenig später auch Andreas Koch die Fabrikation von Handharmonikas auf. Langwierige und kostspielige Versuche waren vorausgegangen, bis die Trossinger Industrie die ersten Handharmonikas auf den Markt brachte. Sie würden trotz ihrer 200 Einzelteile auf den heutigen Beschauer einen wehmütigen Eindruck machen, wenn man sie neben ein modernes Akkordeon stellt. Doch schon nach kurzer Zeit konnte eine Reihe von Modellen mit verbesserter Qualität angeboten werden. Die ersten Kataloge der Firmen Hohner und Koch boten schon Dutzende von Modellen an. Die Firma Hohner stellte im Jahre 1906 bereits 101.285 Stück her, und im folgenden Jahr wurde diese Zahl um 50.000 überstiegen.

Um die mühsam eroberte Stellung auf dem Weltmarkt zu halten, war eine starke Konzentration der gesamten Harmonikaindustrie notwendig. Es lag daher nicht nur im Plane der Firma Hohner, sondern auch im Zug der Zeit, daß der Zusammenschluß in der Harmonikaindustrie kommen mußte. 1906 hatten sich die Knittlinger Harmonikafabriken von Hotz und Kohl als erste der Firma Hohner angeschlossen. 1928 folgten dann die Trossinger Firmen Chr. Messner & Cie. und Chr. Weiß AG, 1929 wurde die Firma Hans Ands. Koch erworben. Die Firmen Kalbe in Berlin und Gessner in Magdeburg reihten sich ebenfalls ein. Bereits 1907 wurde die Firma Matth. Hohner zu einer Familienaktiengesellschaft umgewandelt. Jetzt war die Matth. Hohner AG die größte Musikinstrumentenfabrik der Welt, hatte sie doch zu jener Zeit allein schon über 4000 Arbeiter beschäftigt. Im Jahre 1923 betrug die Weltproduktion 50 Millionen Mundharmonikas, davon wurden in Deutschland 47 Millionen und allein in den Trossinger Großbetrieben 33 Millionen hergestellt. Im selben Jahr gab es eine Jahresproduktion von ca. 30.000 Stück Akkordeons, während 1952 mehrere Hunderttausend in Trossingen hergestellt wurden.

In den Jahren zwischen 1920 und 1939 erreichte die Matth. Hohner AG mit über 1200 verschiedenen Modellen die reichhaltigste Produktion.

Die Entwicklung zum Akkordeon heutiger Prägung hatte sich in wesentlich kürzerer Zeit vollzogen, obwohl vom Schifferklavier über das Tangoklavier der 20er Jahre bis zum Piano- und Knopfgriff-Akkordeon von heute ein schwieriger Weg für die Konstrukteure war. Die Instrumente wurden immer komplizierter, dafür aber immer besser im Ton und reicher an klanglichen Raffinessen. Konstrukteure wie Morino und Gola und andere haben Musikinstrumente geschaffen, die den Meinungsstreit um den Wert des Akkordeons befriedet haben.

Der jüngste Zweig der Matth. Hohner AG. war dann die Herstellung von elektronischen Musikinstrumenten.

Es ist mehr als 65 Jahre her, seit Jörg Mager sein Elektrophon entwickelt hatte. Es handelte sich hier um ein Instrument, das mit rein elektrischer Klangerzeugung und Klangwiedergabe arbeitete.

Rene Seybold entwickelte dann für Hohner das ,,Electronium", ein elektronisches, nur monophon spielbares Instrument, das sich nach seinem Äußeren von einem Akkordeon nicht unterscheidet. Seine elektronischen Bauteile, die Spielhilfen, Klangwähler, die Vorrichtung zur Wiedergabe des musikalischen Ausdruckes sind in einem Akkordeongehäuse untergebracht, das wieder mit einem Verstärker und Lautsprecher verbunden ist.

Das Electronium entwickelte sich mit seinen neuartigen Klangfarben zu einer enormen klanglichen Bereicherung des Akkordeonorchesters.

Nach wenigen Jahren einer rapiden Entwicklung haben sich dann weitere neue Instrumente dem Electronium angeschlossen: wie ORGAPHON (ein spezieller Verstärker für die Basso), Bassophon (ein Electronium nur für den Baßbereich), Multimonica (ein zweimanualiges Instrument - Manual 1 [unten] hatte durch ein Gebläse angeregte durchschlagende Zungen, das obere Manual erzeugte monophon spielbare elektronische Töne), Organa und Organetta (durch ein Gebläse angeregte Zungen auf ein oder zwei Manualen wirksam), die Hohnerola führte zur elektronischen Orgel, während das Prinzip der mechanisch-elektronischen Tonerzeugung 1958 zum Cembalet weiterentwickelt wurde. 1966 kam das ,,Clavinett" heraus, bei dem nach Art des alten Clavichords Saiten angeschlagen und die Schwingungen mit Hilfe von Tonabnehmern abgetastet und elektronisch verstärkt werden. Es folgten dann das Elektra-Piano, Pianet und Clavinet-Pianet-Duo, um nur einige zu nennen. Bei der E-Orgel gab es zuerst die Symphonic-Serie, die 1983 in der ,,D-Serie" gipfelte, hier besonders mit der zukunftsweisenden D 98.

Schon 1954 entwickelte man dann die sog. ,,Hohner-VOX", ein normal spielbares Akkordeon mit einer eingebauten elektronischen Tonreihe, die vom Spieler mit den Zungentönen auch kombiniert werden konnte.

Die VOX wurde ebenfalls weiterentwickelt, so daß man alsbald in das Akkordeon eine vollkommene zweimanualige E-Orgel einbaute, die dann ebenfalls mit den Zungentönen kombiniert werden konnte. 1983 ist die ,,Hohner-VOX 4 P" das Spitzenprodukt dieser Serie. Auch bei der Entwicklung der Melodiebaß-Akkordeons leistete die Firma Hohner entscheidende Arbeit.

Schließlich darf die enorme Kulturarbeit der Matth. Hohner AG. nicht unerwähnt bleiben. Dr. h. c. Ernst Hohner besaß den enormen Weitblick, daß das Erzeugen von Musikinstrumenten allein nicht genügt, wenn nicht die übrigen Komponenten - Lehreraus- und -fortbildung, Förderung von Spielkreisen und Orchestem, Wettbewerbe und Tagungen und die arteigene Literatur - hinzukommen.

So initiierte er viele kulturelle Aktivitäten, die eigentlich der Ursprung dessen sind, daß das Akkordeon heute ein international anerkanntes Musikinstrument sein kann. Natürlich gehört das Akkordeon heute noch zu den am meisten ,,gehaßten" Instrumenten, doch der Geist eines Ernst Hohner schien hier immer wieder zu neuen Taten anzuspornen.

Schließlich waren um 1930 die Harmonikainstrumente die am meist verbreiteten und gespielten Instrumente. So wurden 1931 der Deutsche Handharmonikaverband e. V. und der Deutsche Mundharmonikaverband gegründet, die dann später in den Deutschen Harmonikaverband (DHV) vereinigt wurden. Ebenfalls 1931 gründete Ernst Hohner mit Hugo Herrmann ein eigenes Ausbildungsinstitut für Harmonikalehrer (Städtische Musikschule Trossingen) und ließ die ersten Originalkompositionen in Auftrag geben.

Heute gibt es in mehr als 30 Staaten der Welt Akkordeonverbände, die wieder in der Confederation Internationale Des Accordeonistes zusammengefaßt sind. Dieser internationale Verband ist seit 1973 selbständiges Mitglied des Internationalen Musikrates (UNESCO).

Wir kennen heute viele Komponisten, die für Akkordeon geschrieben haben, und in mehr als 100 Hochschulen und gleichwertigen Lehranstalten der Welt wird das Akkordeon als vollwertiges Instrument unterrichtet.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß 1951 die Hohner-Stiftung Trossingen gegründet wurde, die heute auf eine erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken kann: Gründung eines Hochschulinstitutes (heute Staatliche Hochschule Für Musik, Trossingen), eines Institutes für Jugend- und Volksmusik sowie eines ,,Archives für Musikwissenschaft". Trossingen besitzt heute ein modernes Konzerthaus, das den Namen Dr. Ernst Hohners trägt, und beherbergt die ,,Bundesakademie für musikalische Jugendbildung".

Die ersten Akkordeonerzeuger (fisarmonica) in Italien

1863 baute Paolo Soprani in Castelfidardo, einem kleinen Dorf auf einem Hügel südlich von Ancona, das erste ,,Accordion" von Demian genau nach. Dieses Modell ist fast wie ein Dokument, da man daran das kleine, erste ,,Accordion" genau erkennen kann. Soprani hatte seine Produktionsstätte in einem Weinkeller eingerichtet, der zu einem kleinen Bauernhaus gehörte. Er konnte 1863 natürlich schon aus der Erfahrung vieler Erzeuger schöpfen, die vor ihm in anderen Ländern Europas Instrumente gebaut hatten. Soprani aber baute das allererste Instrument trotzdem nach.

Alsbald konnte er mit seinen Instrumenten in Frankreich Fuß fassen, da ja die französischen Erzeuger nach der Krise 1870/71 aufgegeben hatten.

1876 gesellt sich Mariano Dallape in Stradella, in der Nähe von Pavia(südlich Mailands), als zweiter italienischer Akkordeonerzeuger hinzu.

Nach und nach folgen vor allem in der Umgebung von Castelfidardo, in Recanati, Numana, Loreto, Camarano und Osimo weitere nach, so z.B.: Settimio Soprani, Crucianelli, Moreschi, Pancotti, Dari E. Picchietti, Borsini, Ballone Burini, Ficosceco, Scandalli, Crosio, Frontalini, Busilacchio, Serenelli, Marinucci, Galanti etc. Die meisten dieser Fabriken existieren auch heute noch, viele kamen noch im 20. Jh. hinzu. 1956 gibt es ca. 100 Akkordeonerzeuger in Italien, wovon ein Großteil Kleinbetriebe bis zu 20 Arbeitern darstellen.

1907 organisierten die Fabrikanten eine Exportgesellschaft, die den gesamten Export abwickeln sollte. Als Federfisa existiert sie heute noch.1907 wurden z.B. 690 Instrumente exportiert, davon noch keines in die USA, 1957 (50 Jahre später) 152.316 Stück, davon 90.016 Stück in die USA. Die USA waren daher für die italienischen Fabrikanten ein enormer Absatzfaktor. Auch heute noch wird mehr als die Hälfte der Produktion nach Amerika geliefert.

Im 20. Jh. kamen in vielen Staaten Europas noch weitere Akkordeonerzeuger hinzu, und es gab fast kein Land, wo die Herstellung nicht zumindest für kurze Zeit versucht worden wäre. Heute finden Erzeugungsstätten in Deutschland, in der Schweiz, in Italien, in Frankreich in Jugoslawien Rumänien, Sowjetunion, Bulgarien Tschechoslowakei, Finnland und in der Volksrepublik China.

Da es für die Gesamtentwicklung des Akkordeons keine Auswirkungen zeigt, kann auf eine nähere Betrachtung dieser Herstellungsländer verzichtet werden. Einige Fabriken erzeugen nur die Instrumente, die im eigenen Land gebraucht werden und haben keinen Export, oder sie erzeugen spezielle Modelle, so z. B. das Bajan in der Sowjetunion.

Das russische Bajan und die Harmoschka

In Rußland entwickelte 1870 Nikolai Ivanovitch Beloborodov (1827bis 1912) in Tula ein dreireihiges chromatisches Akkordeon, das allerdings alle Merkmale der sog. ,,Schrammelharmonika" aufwies. Tonumfang, Anordnung der Tonfolge, Knopfreihen, Anzahl der Knöpfe und der Bässe waren dieser gleich. Das Instrument wurde am Anfang als ,,typisch russische Harrnonika" bekannt, bis sie ein Musiker ,,Bajan" nach der alt-russischen Volkssängerin Bajana nannte. Interessant ist auch noch die russische Harmoschka, ein gleichtöniges, jedoch diatonisches Instrument, wo nur die ersten beiden Knöpfe wechseltönig sind.

Bereits 1872 und 1875 gibt es die ersten Spielmethoden für Bajan.

P. I. Tschaikowsky setzte dann erstmals nach seinem Besuch in Tula (1896) in seinem 3. Satz der ,,Charakteristischen Suite" op. 52 vier Bajans als Instrumentalgruppe und Klangfarbe im Sinfonieorchester ein. Heute gibt es eine große Anzahl von Komponisten in der Sowjetunion, die Werke für Bajan schreiben, darunter einige Konzerte für Akkordeon und Sinfonieorchester.

Die Baßseite wurde nach den Entwicklungen und Erfahrungen in Deutschland - vor allem nach dem System der Musiker Tauschek, Paul und Blauensteiner - gleich dem heutigen Standardbaß-Akkordeon mit 100 Bässen (ohne verm. Septakkorde) gebaut. Heute gibt es auch Modelle mit 64 Knöpfen und 120 Bässen.

Das Typische am Bajan ist nur das abgestufte Griffbrett, der größere, eckige Korpus und die Haltung des Instruments (nur ein Halteriemen). Ansonsten ergeben sich keine Unterschiede zu den herkömmlichen Knopfgriff-Akkordeons (B-Griff).

Für Künstler und Absolventen der Hochschulinstitute (= Hochschule für Musik) erzeugt ein Werk, das der Sowjetarmee untersteht, die Bajans. Seit ca. 12 Jahren werden auch Bajans mit Melodiebaß als chromatischer ,,Converter" gebaut. In manchen Instrumenten ist besonders ein pedalartiger Baß (32') erwähnenswert, der allerdings die Instrumente sehr ,,gewichtig" und schwer macht.

Eine eigene Stellung unter den Akkordeonmodellen scheint die russische Harmoschka einzunehmen.

Schon der Tonaufbau der Diskantseite kennt keine Parallelen zu ähnlichen Instrumenten in anderen Ländern. Sei es jetzt die Entwicklung des Akkordeons in Österreich, Deutschland oder Frankreich, keines dieser Modelle hat ein gleichartiges ,,gleichtöniges" Akkordeon anzubieten.

Die Harmoschka ist gleichtönig und trotzdem diatonisch. Die Haupttonart ist A-Dur.

Diskantseite: 23 Knöpfe, davon 2 wechseltönig, zweichörig ohne Register.
Baßseite: 12 Bässe gleichtönig.

Wir erkennen im Tonaufbau der Diskantseite immer wiederkehrende Dreiklänge im senkrechten Aufbau. Die Töne: c', dis', g', g'', ais", c''', dis"', f"' fehlen. Dafür erscheint a' zweimal. Diese Instrumente finden vornehmlich in der Volksmusik Verwendung. Man müßte nun die Musik, die darauf gespielt wird, untersuchen. Dort würden wir auch den Schlüssel dazu finden, warum der Tonaufbau so entwickelt worden ist.

Die Harmoschka wird heute noch in der UdSSR gespielt und hat das Aussehen eines heute üblichen zweireihigen Knopfinstrumentes. Besondere Kennzeichen gibt es dabei keine.


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